Tempel, Träume und Tragödien

Wie Ameisen wimmeln Mopedfahrer und Motorrollerfahrer durch die Straßen von Ho-Chi-Minh-Stadt. Alle fahren aufeinander zu, alle finden ihren Weg. Waren es vor 15, 20 Jahren noch Fahrräder, so sind es jetzt motorisierte Krafträder, die es fast unmöglich machen für Fußgänger, eine der großen Straßen im ehemaligen Saigon zu überqueren. Im wirtschaftlichen Zentrum und der Umgebung der Stadt leben gut 9 Millionen Menschen. Es gibt 7,5 Millionen Mopeds. Täglich kommen 750 dazu. Ho-Chi-Minh-Stadt platzt aus allen Nähten. So haben wir es auf unserer Südostasienreise durch Vietnam, Kambodscha un Thailand empfunden.

 

Ho, Ho, Ho Chi Minh

 

Nach dem Abzug der US-Truppen und der militärischen Niederlage der südvietnamesischen Regierung wurde die Stadt 1976 nach dem 1969 verstorbenen nordvietnamesischen Staatschef Ho Chi Minh benannt. Sie ist eine blühende Metropole, die von immer mehr Touristen besucht wird. Exkursionen durch verschiedene Stadtteile lohnen sich. Wir waren mit einer Gruppe von Berge+Meer-Reisen unterwegs. Neben der bekannten Dong Khoi-Straße, die während der französischen Kolonialzeit als Rue Catinet bekannt war, haben uns die Kathedrale Notre Dame sowie das 1891 erbaute Hauptpost-Gebäude gefallen.  

 

Das Geschäft mit dem Krieg

 

Das Kriegsopfermuseum zeigt auf Bildern und mit Exponaten schonungslos die Gräueltaten des Vietnamkrieges. Wer zart besaitet ist, sollte das Museum nicht besuchen.  Im Museumsshop gibt es allerhand Dinge, die an den Krieg erinnern, so auch kleine Plastikpanzer für Kinder. Das Geschäft mit dem Krieg…

Gut zwei Fahrstunden entfernt von Ho Chi-Minh-Stadt liegt in der Region Cu Chi  ein Tunnelsystem, in  dem Bauern und Widerstandskämpfer den Angriffen der Amerikaner entgehen wollten und gleichzeitig selbst Gegenoffensiven des Vietcong starteten. Die unterirdischen Gänge sollen über 200 Kilometer lang sein und in alle Richtungen ausstrahlen.  Reiseleiter Herr Tong bot uns an, gut 120 Meter durch einen engen Tunnel zu kriechen. Ich kehrte nach einigen Metern um, weil ich Platzangst bekam.  Natürlich müssen solche Kriegsschauplätze erhalten bleiben und dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Aber irgendwie hat man den Eindruck, dass die Vietnamesen keine Skrupel kennen, mit dem Grauen Geld zu verdienen. Ein  dünner Mann in Uniform zeigt uns, wie man durch ein winziges Loch in das Tunnelsystem kam.

 

Schlanke Vietnamesen

 

Überhaupt sind fast alle Einwohner Saigons schlank. Kein Wunder, bei dem Essen. Morgens, mittags, abends Suppe, mit Reis oder durchsichtigen Nudeln und kaum gewürzt.  Wer will, kann Salz und Pfeffer hinzufügen. Viel Huhn gibt es in Vietnam.  Manchmal auch den Elefantenohr-Fisch. Eine Karpfenart, die besonders im Mekong-Delta eine Delikatesse ist und in einem Gestell mit Kopf und Schwanz fertiggekocht serviert wird. Wer will, kann auch Krokodilfleisch probieren. So wie ich. In mehreren Becken werden auf einer Farm Krokodile  gezüchtet – für den späteren Verzehr.

 

Schwimmende Märkte

 

Der Schwimmende Markt von Cai Rang im Mekong Delta und die beeindruckende gelb-blaue Vinh- Trang-Pagoden-Stadt  sind weitere Highlights unserer ersten Tage. In Vinh-Trang kommen viele Religionen zusammen. Immer um 12 Uhr. Wir durften an einer Zeremonie teilnehmen.  Im Mekong Delta besuchen wir auf einer Insel eine Früchtefarm,  die aber noch anderes zu bieten hat.  Ich lasse mir gleich nach der Ankunft eine lebende Riesenschlange um den Hals hängen. Ganz schön schwer, das Reptil. Aber wohl ungefährlich. Eine kurze Tour auf kleinen Sampan-Booten , die sich durch die schmalen Wasserwege schlängeln, gehört ebenso zum Ausflugsprogramm wie die Besichtigung einer Fertigungsstätte von Bonbons. Absolut sehenswert, wie junge Frauen mit einer unglaublichen Fingerfertigkeit und in rasender Schnelle die Plombenzieher  in Papier verpacken.  Fit sollte man beim Besuch der Lady Chua Xu Pagode am Fuße des Sam Mountain sein. Die steilen Treppenaufgänge führen zur Hang Pagode, von der man einen fantastischen Panoramablick über die umliegenden Gebiete bis zur kambodschanischen Grenze hat.

 

Mit dem Schnellboot über den Mekong

 

Mit Karacho geht es in einem Schnellboot über den 4500 Kilometer langen Mekong zur kambodschanischen Grenze.  Zum Glück sind wir an der verlassen aussehenden Grenzstation die einzige Gruppe, die die Grenze mitten im Fluss überqueren will.  Dennoch sind die Kontrollen streng. Man wird fotografiert und muss in der Regel seine Fingerabdrücke abgeben. Nach viereinhalb Stunden und einer Vorbeifahrt an einem riesigen, liegenden Buddha erreichen wir Phnom Penh, die Stadt, die ich immer einmal besuchen wollte. In den 1970er Jahren waren dort Angst und Schrecken an der Tagesordnung.

 

Zurück in die Steinzeit

 

Als 1975 die Roten Khmer in Phom Penh einzogen, jubelte die Bevölkerung ihnen zu. Eine Woche später war die Stadt wie ausgestorben. Intellektuelle wurden von den Steinzeit-Kommunisten gefoltert, ermordet oder aufs Land deportiert. Die Roten Khmer wollten einen reinen Bauernstaat errichten. Mit enormer Brutalität ging das Pol Pot-Regime gegen die eigenen Leute vor. Wer nur eine Brille trug, Bücher las oder sich für Politik interessierte, wurde umgebracht oder ins berüchtigte Sicherheitsgefängnis S 21 mitten im Phnom Penh gebracht. Früher eine Schule, wurde der Gebäudekomplex in einen Ort der grausamen Verhöre und der Folter umgewandelt. Vieles davon ist bis heute unverändert geblieben. Zu sehen sind Fotografien von tausenden von Opfern, die hier gefoltert worden. Von etwa 15 000 Insassen konnten nur 7 diesen Ort lebendig verlassen. Ihr Glück war, dass sie besondere handwerkliche Fähigkeiten hatten, wie Elektriker oder Tischler. Einer der Überlebenden, der 93-jährige Chum Mey , hat seine Leidensgeschichte aufgeschrieben und berichtet über den Genozid der Roten Khmer. Er verkauft seine Erinnerungen als Buch im Eingangsbereich des Lagers S 21. Wer möchte, kann sich mit ihm fotografieren lassen.

 

Tausende von Mopeds

 

Phnom Penh hat etwa zwei Millionen Einwohner. Die touristische Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen, nimmt aber an Fahrt auf. Die geschäftige Hauptstadt Kambodschas mit ihren Straßenverkäufern macht einen jungen und sympathischen Eindruck. Auch hier dominieren Tausende von Mopeds das Stadtbild. Der Königspalast und ein 48 Meter langer, liegender Buddha, runden  das Bild der faszinierenden Metropole ab. Es gibt viel zu sehen, aber nicht jeder Tempel ruft unser Interesse hervor. Auch das Gewimmel und die unangenehme Anmache der Verkäuferinnen und Verkäufer im Zentralmarkt  stoßen eher ab, als dass sie Erstaunen hervorrufen.

 

Höhepunkt Weltkulturerbe

 

Nach einer weiteren, langweiligen Busfahrt, die auf unserer Reise teilweise bis zu 400 Kilometer lang waren, erreichen wir Siem Reap, den Höhepunkt aller Sehenswürdigkeiten. Wir besichtigen die Tempelanlagen von Angkor. Überragt wird die 10 Quadratkilometer große Fläche von Angkor Wat, dem UNESCO-Weltkulturerbe. Diese Anlage einmal gesehen zu haben, ist schon wie die Erfüllung eines Traums. Entsprechend mit Demut nähert man sich dem Gebäudekomplex, dessen Bau über 30 Jahr dauerte und eines der größten und vollkommensten sakralen Bauwerke weltweit ist. Eine Holztreppe führt in die entlegensten Winkel der weltberühmten Tempelanlage . Vorsicht: Die Treppe ist  sehr steil. Wer Höhenangst hat, sollte lieber unten bleiben. In Angkor Wat befinden sich auch die längsten zusammenhängenden Flachreliefs der Welt. Fasziniert von Angkor Wat und dem gesamten Tempelkomplex verlassen wir Kambodscha und fahren weiter nach Thailand. Uns erwartet eine andere, teilweise abstoßende Zivilisation.

 

Widerlicher Sextourismus

 

Nach zwei Stunden Wartezeit am Grenzübergang Kambodscha/Thailand und einer insgesamt 420 Kilometer langen Busfahrt erwartet uns Pattaya, wo der Sextourismus Hochkonjunktur hat. Am Strand warten blutjunge Thailänderinnen auf alte Daddys, die einige Zeit mit den Mädchen verbringen. Oft auch in eigentlich bei Touristen beliebten Hotels. Der Strand ist dreckig. Tote Fische werden den Touris an die Füße gespült. Nie wieder Pattaya. Und nie wieder Bangkok (15 Millionen Einwohner in der Metropolregion). Die riesige Weltstadt  ist so hektisch, das man in der Hauptverkehrszeit sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Und wenn dann noch die Straßen am Ende der Regenzeit und heftigsten Sturzbächen überflutet sind, hat man die Nase voll. Nur einmal waren wir begeistert von Bangkok. Als wir im 83 Stockwerk eines Mega-Hochhauses auf einer sich drehenden Plattform einen Blick auf die Metropole werfen konnten.  Und das bei Nacht. Faszinierend.